Die social distancing Mauer

Kyrie mit Einleitung zur Heiligen Messe am Samstag, 16. Mai 2020, und Sonntag, 17. Mai 2020,
von Ulrike Heimhilcher-Dohnal

Sie erinnern sich! Am Aschermittwoch bis zum 2. Fastensonntag hatten wir begonnen Bitten und Gebete in die Ritzen unserer Fastenmauer zu stecken. Ein schönes, sprechendes Symbol, dachten wir damals. Und für die Osternachtfeier wollten wir die Mauer abtragen und aufbrechen und prachtvoll mit Blumen schmücken – als Zeichen der Auferstehung.                                                                                                          

Aber, wie wir alle wissen, kam es ganz anders. Und heute steht die Fastenmauer immer noch – fast unverändert – da.

In den beiden vergangenen Monaten ist sie uns zum Symbol für social distancing geworden: Abstand halten, kein Kontakt, kein freier Blick, kein fester Händedruck, keine herzliche Begrüßung, keine tröstende Umarmung. Das social distancing bestimmt unseren Alltag – und so wird es wohl noch eine ganze Zeit lang bleiben.

Und dennoch – die Mauer hat sich ein wenig verändert. Sie ist mit Blumen geschmückt, dezent noch, aber es beginnt schon zu grünen und zu blühen.

Das erinnert uns an das, was wir doch auch an Positivem aus diesen beiden Monaten mitnehmen können: das Innehalten, den neuen Blick auf Vertrautes, kreative Lösungen, die Erfahrung von Solidarität und Dankbarkeit.

Und vielleicht dürfen wir auch schon den Neubeginn spüren: die Wiedersehensfreude, Aufbruchsstimmung und Hoffnung.  

Beten wir nun das Kyrie mit dem mutmachenden Satz aus dem Psalm 18:
Mit meinem Gott überspringe ich Mauern!
(Ps 18,30) 

Mit meinem Gott überspringe ich Mauern!
– die Mauern aus Sorgen, Ängsten und Problemen.

Herr, erbarme dich unser!

Mit meinem Gott überspringe ich Mauern!
– die Mauern aus Langeweile, Einsamkeit und Traurigkeit. 

Herr, erbarme dich unser!

Mit meinem Gott überspringe ich Mauern!
– die Mauern aus Antriebslosigkeit, Überforderung und Stress. 

Herr, erbarme dich unser!

1. Messe nach Shutdown © Nina Chalupsky